Verschenkte Jahre

© Sven Hoppe/dpa

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Die CSU hat die Wirtschaftspolitik der Regierung ruiniert. Das wird noch teuer.

Von Roman Pletter

Es war schwer vorstellbar, dass der Minister Alexander Dobrindt tatsächlich so viel Unsinn veranstalten würde, wie der CSU-Generalsekretär Dobrindt zuvor befürchten ließ. Der hatte die Latte nämlich selbst für einen CSU-Generalsekretär recht hoch gelegt. Das muss man ja auch erst einmal schaffen, einen grünen Politiker einen “widerlichen Pädophilen” zu nennen. Dobrindt hat sich dann aber als Bundesverkehrsminister noch gesteigert, was den Verdacht nährt, dass CSU-Chef Horst Seehofer ihn nur zu Ausbildungszwecken als Generalsekretär beschäftigt hat, damit Dobrindt die auf diese Weise erlernte Schmerzfreiheit später als Bundesminister in den Dienst seiner Partei stellt. So konnte er in Berlin Torheiten wie die Pkw-Maut durchsetzen oder trotz Diesel-Skandal die Autoindustrie preisen.

Womit man schon bei einem grundlegenden Problem dieser nun scheidenden Bundesregierung ist. Wirtschaftspolitisch ist der Verkehrsminister nämlich nur ein Symbol für vier verschenkte Jahre. Weil sich CDU und SPD dem Koalitionspartner CSU stets beugten, ist ein großer Posten in der Bilanz der Regierung Merkel eine Buchung zulasten Dritter: Die CSU leuchtet, ganz Deutschland bezahlt.

In Zeiten großer Probleme fehlt es der CSU vor allem an einem: Ernsthaftigkeit

Diese Regierung hat in Zeiten voller Kassen nicht nur überfällige Reformen des Steuer- und Rentensystems unterlassen. Vielmehr hat sie die Probleme dieser Systeme sogar vergrößert, indem sie von der Mütterrente über die fragwürdige Reform der Erbschaftsteuer und die Einführung der Pkw-Maut bis hin zur Aufarbeitung der Diesel-Affäre eine Reihe ärgerlicher CSU-Kuriositäten produziert hat.

Die CSU-Mütterrente berappt nun eine kleiner werdende Schar junger Beitragszahler.

Die Erbschaftsteuer wird Firmenerben faktisch erlassen, selbst bei Unternehmen, die zig Millionen Euro wert sind. Durchgesetzt hat das vor allem Bayerns Ministerpräsident Seehofer nach lautem Gejammer eines Verbandes, der auch Konzerne als “Familienunternehmen” zu verkaufen weiß. Vergangene Woche kam dann noch heraus, dass Bayern die neuen Regeln besonders unternehmerfreundlich auslegen will. Dabei fallen derzeit bloß sieben Milliarden Euro an Erbschaftsteuern in Deutschland an – bei bis zu 400 Milliarden Euro, die schätzungsweise im Jahr vererbt werden. Eine Steuerbelastung von Cayman-Island-haften 1,75 Prozent! Das Gemeinwesen finanzieren dann eben jene, die Steuern auf ihr Arbeitseinkommen bezahlen. So viel zum Slogan “Leistung soll sich lohnen!”.

Und als Krönung wird die Einführung der Pkw-Maut nach seriösen Berechnungen mehr kosten, als sie einbringt. Es gibt dieses Projekt nur, weil Seehofer den Bayern eine Maut gegen die auf ihren Straßen kreuzenden Österreicher versprochen hat. Sein Verkehrsminister hat die Grundrechenarten dafür gebogen, bis unter dem Strich ein Plus auf dem Papier stand. Unter Verkehrswissenschaftlern sind diese interessengetriebenen Ausarbeitungen berüchtigt.

In einer Zeit wirklich großer Probleme in der Welt fehlte es den meisten dieser CSU-first-Projekte vor allem an zweierlei: Maß und Ernsthaftigkeit. Und so nimmt es nicht wunder, dass diese Legislaturperiode in genau diesem Geist endet.

Ungeachtet aller Manipulationsvorwürfe gegen die Industrie erklärte Dobrindt zum Wahlkampfauftakt der CSU, dass Deutschland Verbrennungsmotorenland sei und bleibe. In diesem Sinne hat das dem Minister unterstellte Kraftfahrt-Bundesamt die Manipulationen der Konzerne auch jahrelang nicht verfolgt. Und in diesem Sinne lud der Minister am Mittwoch deren Vertreter zu einem “Nationalen Forum Diesel”. In dessen Vorfeld forderten die Manager allen Ernstes neue Subventionen für die Elektrowende, als Gegenleistung dafür, dass sie die Luft nicht mehr mit subventioniertem Diesel verpesten. Tatsächlich wäre es für den Minister an der Zeit gewesen, den Managern eine Vorladung statt einer Einladung zu schicken.